"Milenas Hände sind ihre Augen"
01. März 2009
Die Siebenjährige ist blind und mehrfach behindert - Spenden für Delfintherapie
Milena ist ein Schmusekind. Am liebsten sitzt sie bei der Mama auf dem Schoß und kuschelt, sodass sie sie spüren, riechen und atmen hören kann. Milena braucht den Hautkontakt. Denn Milena kann nicht sehen. Sie ist vor siebeneinhalb Jahren ohne Augen auf die Welt gekommen, kann nicht allein laufen, nicht allein essen und nur sprechen, was ihr vorgesagt wird.
HILPOLTSTEIN (car) - Dass sich am 17. Oktober 2001 für Ewa und Artur Zdrzalka die Welt veränderte, wussten die Eltern der neugeborenen Milena nicht gleich. Erst einige Stunden nach der Geburt war klar, warum die Kleine die Augen nicht öffnete. Die Augäpfel waren nicht entwickelt. Die Mutter von Milena sagt, sie habe es vorher schon geahnt. "Eine Mutter spürt, wenn etwas nicht in Ordnung ist." Ihre beiden großen Kinder Timek und Laura waren bei der Geburt der kleinen Schwester schon zehn und sechs Jahre alt.
"Und dann waren wir froh, dass nichts weiter war", erinnert sie sich an die Untersuchungen in der Rother Kreisklinik. "Nur" die Augen - für die Familie nach den ersten Ängsten war die Nachricht wie ein Geschenk. Ewa Zdrzalka selbst ist Krankenschwester, ihr Mann arbeitet als Heilerziehungspfleger mit Gehörlosen und Mehrfachbehinderten, die polnische Familie hat am Anfang ihrer Zeit in Deutschland lange im Auhof gewohnt. "Wir waren den Umgang mit Behinderten selbstverständlich gewohnt und hatten viele Kontakte."
Aber allmählich wurde den Eltern klar, dass es mit Milenas Entwicklung nicht nur auf Grund der fehlenden Sehkraft langsamer voranging. Sie lernte nicht krabbeln und nicht sprechen, "bis zu den ersten Worten dauerte es drei Jahre", erzählt Ewa Zdrzalka. "Das Laufen an der Hand ist erst seit eineinhalb Jahren möglich." Und: "Ihre Hände sind ihre Augen." Was Milena genau hat, wissen die Ärzte immer noch nicht. Aber die Eltern suchen nicht mehr, um ihre Tochter nicht weiteren schmerzhaften Behandlungen auszusetzen.
Während die Mutter erzählt, streichelt sie ihre Tochter, spricht mit ihr und stellt ihr Fragen. Wenn Milena auf die Toilette muss, versteht die Mama die einzelnen, für Fremde undeutlichen Silben ihrer Tochter so selbstverständlich, als ob die beiden eine eigene Sprache für sich haben. Milena läuft an ihrer Hand bis zur Toilette, "nur manchmal ist es dann schon zu spät", lacht Ewa Zdrzalka.
Kinderlieder
Milena ist jetzt sieben, braucht rund um die Uhr Betreuung (abgesehen von der Schulzeit in der Schule für Blinde und Mehrfachbehinderte in Rückersdorf), oft will sie noch getragen werden, sodass Ewa Zdrzalkas Rücken sich beschwert. Trotzdem lacht die attraktive, jugendlich wirkende Frau und freut sich über jeden noch so kleinen Schritt, über jede Liederzeile, die Milena ihren Kinderliedern nachsingt - zumeist noch aus ihrer eigenen Schulzeit in Polen. Also singt auch Milena polnisch, "und sie liebt diese Sprache mehr als die deutsche".
Etwas fremd ist die deutsche Sprache auch der dreifachen Mutter immer noch, obwohl sie, die 1990 nach Deutschland kam, ohne ein Wort deutsch zu kennen oder zu verstehen, längst ausgezeichnet deutsch spricht - mit einem winzigen, hübschen Akzent.
Milena wird von ihr, vom Papa und den Geschwistern gefüttert, Schwester Laura spielt liebevoll und lang mit ihr, bis vor Kurzem waren die wöchentlichen Physio-, Ergo- und Logotherapiestunden zu bewältigen (jetzt liegen die Therapiestunden in der Schulzeit). Die Nächte sind auch nicht immer einfach, weil Milena nicht gut schläft, wenn sie erkältet ist. Seit sie unter allergischem Asthma leidet, schlafen auch die Eltern manchmal nächtelang nicht, "aus Angst, dass sie erstickt".
Das ist das Schlimmste für die Eltern: "Wenn Milena weint, manchmal den ganzen Tag lang, und wir wissen nicht, warum und wie wir ihr helfen können, weil sie nicht sagen kann, ob ihr etwas wehtut oder ob sie einfach nur Hunger hat."
Noch können die Eltern einfach durchprobieren, was im konkreten Fall hilft und Milena beobachten, wie sie reagiert. "Aber was ist, wenn wir das nicht mehr können?" Daran, so Ewa Zdrzalka, weill sie lieber noch nicht denken.
Woran sie aber ununterbrochen denkt, sind die Möglichkeiten der Hilfe für ihre Tochter. Mit einer Pferdetherapie hat Milena begonnen - und sich voller Hingabe an den Pferderücken geschmiegt. Die Delfintherapie, von der es viele positive Erfahrungsberichte gibt, sei gut, aber auch teuer. Mit 12 000 Euro müsse die Familie rechnen. Tiertherapien bezahlt die Kasse aber nicht.
Allein schultern kann die fünfköpfige Familie den Betrag keinesfalls, nun will Ewa Zdrazalka Spenden dafür sammeln. Anton Nagel, der Chef des Versicherungsbüro Nagel in Roth, hat für Milena schon einmal eine Kur finanziert. Nun stellt er sein Stiftungskonto zur Verfügung, kann also Spendenquittungen ausstellen. Wann werden Milena und ihre Eltern wohl nach Ägypten oder in die Türkei zur zweiwöchigen Therapie reisen? "Wahrscheinlich noch nicht so bald", lächelt Ewa Zdrzalka: "Erst wenn wir das Geld beieinander haben."
Spendenkonto: Anton Nagel Stiftung, Kennwort "für Milena", Dresdner Bank, Kontonummer 305808602, BLZ 700 800 00. Die Homepage "milena-z.de" wird gerade eingerichtet.